Mannheims Straßen

Freitag, Mai 19, 2006

Die Ironie ist tot


Tour 2
Stadtteil: Vogelstang
Abgelaufene Straßen: Geraer Ring, Weimarer Straße, Jenaer Weg, Gothaer Weg, Saalfelder Weg, Apoldaer Weg, Thüringer Straße, Suhler Weg, Altenburger Weg, Erfurter Weg, Meininger Weg, Rudolstadter Weg, Eisenacher Weg

Als ich heute morgen im Stadtteil Vogelstang aus dem Auto stieg, betrat ich eine andere Welt. Die Vogelstang ist eine Trabantenstadt. Die komplette Palette der Architektur der 1970er Jahre kann man hier betrachten. Vom Hochhaus am Geraer Ring, über die doppelstöckigen Reihenhäuser am Erfurter Weg, bis zu den Reihenhausbungalows am Gothaer Weg ist hier alles zu bestaunen.

Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man denken, man wäre mitten im real existierenden Sozialismus angekommen. Gut, die Kirche der "Zwölf-Apostel-Gemeinde" am Geraer Ring und die erstaunlich häufig am Wegesrand stehenden Luxuskarossen von Mercedes-Benz und BMW trüben diesen Eindruck ein wenig.

Aber fragen darf man sich ja schon, warum dieser Stadtteil aussieht, als wäre er im Osten dieses Landes gebaut worden und dann auch noch durchgehend dazu passende Straßennamen aufweist. Zynismus, könnte man denken. Vielleicht auch Ironie. Nur spätestens am Apoldaer Weg merkt man: die Ironie ist tot.

Dort erblickte mein trübes Auge einen Trabant, besser bekannt als Trabbi, und wenige Meter weiter gleich einen zweiten. Dass man bei Trabant damals auch Kleinbusse, heute auch Minivans genannt, gebaut hat, war mir allerdings nicht bewusst. Spätestens hier kann man nur zu einem Urteil kommen: die DDR lebt - in Mannheim auf der Vogelstang.

Wobei die Architektur größtenteils doch eher westdeutsch ist. Die Reihenhausbungalows erinnerten mich an die Bungalows, die in Kiel anlässlich der Olympischen Spiele von 1972 gebaut wurden. Das hat dann doch eher einen westdeutsch-mittelständischen Wohlstandsflair à la 70er Jahre.

Erstaunlicherweise ist dieser Stadtteil sehr ruhig, fast schon unangenehm. Nur an der Thüringer Straße hört man den Autoverkehr der B38. So war ich fast erleichtert, als ich im Erfurter Weg den Lärm spielender Kinder von der Grundschule hörte.

Und sehr, sehr grün ist es auch. Nur wirkt das Grün doch arg deplatziert und künstlich zwischen all dem Beton. Es gibt sicherlich viele Baustoffe, die sehr schön mit der Natur korrespondieren. Die Vogelstang beweist: Beton gehört nicht dazu.

Mein persönliches Highlight war der Rudolstadter Weg. Dort gibt es einen kleinen Supermarkt, den "RULI-Markt". Von außen wirkt er recht unscheinbar und beinahe wäre ich auch einfach dran vorbei gegangen. Einmal drin, war ich doch sehr erstaunt. Fast das gesamte Angebot habe ich noch nie in dem Supermarkt meiner Wahl gesehen. Die Produkte sind fast ausschließlich osteuropäischer Herkunft. Sehr interessant fand ich zum einen die gigantische Auswahl an Bonbons, die man sich dann selbst zusammen stellen kann, zum anderen die Nudeln aus deutscher Produktion, deren Verpackungen sowohl auf deutsch als auch auf russisch beschriftet waren. Da hat wohl jemand eine Geschäftslücke entdeckt. Allein wegen der Bonbons und auch der Auswahl feinster russischer Wodka ist die Vogelstang eine Reise wert.

Kurios ist auch das "Vogelstang-Center" am Geraer Ring. Draußen ist tote Hose, drinnen tobt das Leben. Okay, drinnen sitzen viele Rentner. Nur sollte man mit der Straßenbahn (Linie 7) anreisen. Denn als ich zurück zu meinem Auto kam, fand ich einen Strafzettel an meiner Windschutzscheibe. Warum ich auf einem Parkplatz vor einem Einkaufszentrum nicht parken darf, ist mir nicht wirklich erklärlich. Ich führe es einfach auf eine feindsehlige Einstellung der Mannheimer Politessen gegenüber auswertigen Kennzeichen zurück. Wäre nicht das erste Mal.

So kann ich euch nur raten: meidet das Vogelstang-Center, fahrt zum RULI-Markt!

Heute abgelaufene Straßen: 13
Dazu benötigte Schritte: 6208
Zurückgelegte Strecke: 3,72km
Angeblich verbrauchte Kalorien: 201
Strafzettel: 1

Bisher abgelaufene Straßen: 27
Gesamte Schrittzahl: 13511
Gesamte Strecke: 8,1km
Bisheriger angeblicher Kalorienverbrauch: 432
Bisherige Anzahl der Strafzettel: 1